miryam abebe

View Original

Das Wohnzimmer – trautes Heim…

Bild: Anton Kaufmann

Vor einem Redekreis habe ich genügend Zeit einen Rundgang über das Areal zu machen und entdecke dabei ein komplett eingerichtetes Wohnzimmer – ein trautes Heim. Ein grosser Esstisch, gedeckt mit weissem Geschirr, Kristallgläsern und einer grossen alten Suppenschüssel, bemalt mit einem rosa Muster. Das Besteckt liegt bereit für ein mehrgängiges Essen im Kreis der Familie oder von Freunden.

Das Wohnzimmer wurde von Vera und Toni eingerichtet. Vera erzählt mir, dass das Wohnzimmer hier auf dem ZelluloseArtCampus das erste gemeinsame Kunstprojekt von ihnen beiden ist. Sie erzählt mir wie sie gemeinsam mit den Artists in Residance Würste über dem Cheminéefeuer gegrillt haben, wie das Wohnzimmer zu einem gemütlichen Treffpunkt geworden ist. An diesem Dienstagnachmittag spüre ich eine Spannung, die ich mir nicht so recht erklären kann. Dann erklärt mir Vera, dass sie das Wohnzimmer in den nächsten Tagen völlig zertrümmern werden. Den Stühlen werden die Beine abgesägt, die Sitzflächen oder Rückenlehnen durchgesägt, die Kommode zertrümmert und das Geschirr komplett zerschlagen. Dann stehen wir mitten im Wohnzimmer und ich frage Toni, ob denn die wunderbare Suppenschüssel auch der Zerstörungswut zum Opfer fällt. Ohne mit der Wimper zu zucken, bestätigt mir Toni, dass auch diese ein Opfer sein wird. Aus dem Augenwinkel sehe ich wie Vera das Gesicht verzieht. Das Wohnzimmer, ihr Projekt löst einen intensiven Prozess aus bei den Beiden. Langsam beginne ich zu verstehen warum ich diese eigenartige Spannung spüre. Die Beiden wollten das Wohnzimmer in Stücke schlagen, haben es aber nicht über's Herz gebracht - beide sind sie aufgewühlt. Immer wieder stellen sie sich Fragen. Wie lange hält man am Wunsch einer heilen Welt in den eigenen vier Wänden fest? Wer ist bereit was und wie viel dazu beizutragen und zu investieren? Weglaufen? Aufgeben? Gemeinsam einen Neuanfang wagen? Wie lange macht man das? Warum macht man Schönes gemeinsam aufgebautes kaputt? Und warum ist fällt es einem noch viel schwerer dies mutwillig zu tun? Ende der Woche sehe ich was passiert ist. Möbel und Geschirr wurden kurz und klein geschlagen, aber die Möbel sind alle wieder geflickt, die Teller und die Gläser zusammengeklebt – auch die wunderbare Suppenschüssel ist wieder zusammengeklebt.

Dann treffe ich auf Sunita und Chris – auch sie haben auf dem ZelluloseArtCampus ihr erstes grösseres gemeinsames Projekt. Sie schildern mir, dass sie im Wohnzimmer eine Performance machen möchten. In diesem Moment kommt Toni dazu und zeigt die Freude und Begeisterung für die Idee eine Performance im Wohnzimmer zu machen. Ja, es ist eine tolle Idee, besonders wenn man weiss, dass es für beide Paare das erste grössere gemeinsame Projekt ist. Vandalismus oder doch Kunst? Und was zieht die beiden Tänzer auf ein solches Areal?...

Bild: Anton Kaufmann

Bild: Anton Kaufmann

Vera Mischler (1982*) ist in Oberdorf aufgewachsen und trotz längeren Auslandreisen und mit nun mehr wieder starkem Fernweh in Solothurn hängen geblieben. Seit 2004 ist sie als Primarlehrerin tätig und unterrichtet seit ihrer Zusatzausbildung Musik und Bewegung.

Anton Kaufmann (1970*) lebt in Solothurn und ist Inhaber der Firma Raumformer in Zuchwil. Auf der Homepage kann ich lesen was ich hier gesehen habe: Er sei fasziniert von authentischen Materialien und den Möglichkeiten diese zu kombinieren und zu verbinden. Er liebe die Abwechslung und die technischen Herausforderungen seines Berufs und geniesse es anders zu sein.
http://www.raumformer.ch/

Sunita Asnani (1979*) ist in der Schweiz geboren und in einer indisch-stämmigen Familie aufgewachsen. Sie hat einen Master in Religion und Soziologie erworben. Mit 5 Jahren hat sie mit klassischem Ballett und mit 20 mit klassischem indischem Tanz begonnen. Seit 2010 hat sie ihre Performance Arbeit in der Schweiz, in Indien und Thailand entwickelt sowie Tanz Workshops angeboten.

Chris Lechner (1963) ist in Burma geboren und in Indien aufgewachsen. Heute lebt er in Bern. Er war klassischer Balletttänzer und in verschiedenen Companien in Hamburg, Zürich und Stuttgart engagiert. Er hat in Grossbritannien, der Schweiz, Deutschland und Indien als Tänzer, Choreograph und Performer gelebt und gearbeitet.